Tage aus Sand
Zwischen meinen Fingern laufen die einzelnen Körner hindurch. Festhalten kann ich sie gar nicht, nur mit meiner Hand eine Schale formen in der sich einige halten lassen, aber bei kleinsten Einflüssen sich bewegen und möglicherweise verloren gehen. Ich kann in das Volle greifen, mit einer Anzahl Körner, die sich für mich leichter in dem Wort "unendlich" beschreiben lässt, als in einer realen Zahl. Ja, mir die Unendlichkeit vorzustellen fällt mir leichter, als Achtundvierzigtausenddreihundertundeinundsiebzig Sandkörner. Bei genauerer Betrachtung, bestehen die Sandkörner aus Sekundenzeigern, die mir ein Konzept von Zeit vortäuschen, welches ich eben heute nicht gut greifen und festhalten kann.
Als ich irgendwo im Internet kommuniziere, dass ich heute einen "Tag aus Sand" habe, dann meine ich diesen Eindruck davon nichts halten zu können. Ich verbinde mich nicht gut zu meinen Momenten, die Zeit läuft deutlich an mir vorbei, vergeht sehr langsam und trotzdem ist der Tag schnell weg. Mir ist langweilig, aber ich bekomme mich auch kaum aktiviert, weil da ist überall Sand, an Stellen wo er sich nicht gut anfühlt, wo er knirschend im Weg ist, ich schaffe es nicht die Füße rein zu stecken und die Sonne zu genießen. Auch, weil diese häufig an Tagen aus Sand nicht auftaucht.
Was ein wenig hilft, ich Übungen zur Geistesgegenwart machen. Mich fokussieren, mir einen überdeutlichen Sinnesreiz geben, der mich wieder etwas mehr verankert. Weil solche Tage bei mir auch oft auf Nächte mit wenig Ruhe folgen, probiere ich auch manchmal den Trick eines Regiesseurs aus, den ich in einem Interview von ihm gehört habe, während ich mich leider nicht daran erinnere, wer er war:
Er hat dabei gesagt, dass er nach dem Aufstehen die besten Ideen hat, weshalb er manchmal, wenn gar nichts klappt, wieder seinen Schlafanzug anzieht, sich hinlegt, ein bisschen napt und dann wieder aufsteht und seine Morgenroutine wiederholt. Und manchmal klappt es dann bei ihm, dass er einen Tag reseten kann.
Ganz so mache ich es nicht, aber mit ihm im Geiste, lege ich mich auch nochmal für einen Nap hin, stehe neue auf, fange manche Routinen nochmal an und hoffe darauf, dass der Eindruck eines neuen Tages meinen Kopf dahin trickst, dass er sich neu hochfährt. So wie ein Computer, denn mensch auch wenn er nicht gut läuft nochmal abschalten und wieder hochfahren muss.
Tage aus Sand sind okay, sage ich mir, weil ich das lernen musste mir zu sagen in den letzten Jahren. Denn als ich noch unbedingt unfassbar fleißig sein wollte um jeden Preis, waren solche Tage für mich ein Anlass, mich selbst hart zu be- und verurteilen. Jetzt aber finde ich einen Frieden damit. Ich gehe trotzdem ein bisschen gegen den Sand vor, aber ich weiß auch, dass er dazu gehört. Und ich weiß vorallem, dass ich immer noch fleißig sein möchte, aber eben nicht um jeden Preis. Weil wer dann verzweifelt den Sand festhalten will, verbraucht vorallem nur unnötig viel Energie.
Hm... Ich hatte gestern den Eindruck, ich hätte intuitiv eine ganz okaye Idee davon, was du damit meinst, wenn du sagst, dass dein Tag sand(ig) ist. Jetzt merke ich, dass dein Bild dazu sehr viel mehr ins Detail geht und ich einen noch besseren Zugang dazu bekomme. Und ich freu mich, dass du das teilst und andere ein bisschen durch deinen Kopf mitnimmst. Auch, wenn Worte immer nur ein Versuch der Annäherung sind und es nicht möglich sein wird, das Gefühl dazu vollumfänglich zu begreifen oder nachzuempfinden. Mit bedeutet aber auch die Annäherung schon viel. :) Und ich hoffe, heute ist nicht wieder ein Düne-Tag und dass keine Wüste durchkämmt werden muss.
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